Die Ausschaltung des
Parlaments
Am 4.
März 1933 nützte die Regierung Dollfuß eine
Geschäftsordnungspanne aus, um das Parlament auszuschalten.
Durch diese Aufhebung der Gewaltentrennung endete praktisch
die Demokratie in Österreich. In der Folge wurden immer
mehr Errungenschaften der Zwischenkriegszeit – von
bürgerlicher Seite als „Revolutionsschutt“ bezeichnet
– abgeschafft.
Anfang
März 1933 streikten die Eisenbahner. Sie protestierten
damit gegen die Auszahlung der März-Gehälter in drei
Raten. Auf Grund der Vorgänge bei der Brechung des Streiks
durch die Polizei brachten die sozialdemokratische und
großdeutsche Opposition einen Misstrauensantrag
gegen die Regierung ein. Die Abstimmung fand am 4. März
1933 statt. Sie stellte für die Regierung Dollfuß eine
brenzlige Situation dar, da sie nur über eine Stimme
Mehrheit im Parlament verfügte. Bei der Abstimmung kam es
jedoch zu Formfehlern und Geschäftsordnungsproblemen.
Als man sich nicht einigen konnte, legten alle drei
Nationalratspräsidenten der Reihe nach ihr Amt zurück.
Somit war niemand da, der die Sitzung hätte leiten können.
Da die Geschäftsordnung diesen Fall nicht vorgesehen hatte,
ging man auseinander.
Die
Regierung nützte diese Situation, um das Parlament
auszuschalten (also keine "Selbstausschaltung").
Am 7. März 1933 erließ sie folgende
Kundmachung: Die Regierung sei von der
„Selbstausschaltung“ des Parlaments nicht betroffen und
die Parlamentskrise sei keine Staatskrise.
Als am 15.
März der dritte Nationalratspräsident Sepp Straffner eine
Parlamentssitzung einberufen wollte, wird das von der
Regierung verhindert. Die Kriminalpolizei hindert die
Abgeordneten am Betreten des Sitzungssaal. Die
österreichische Opposition – Sozialdemokraten,
Großdeutsche und Nationalsozialisten – protestierten
daraufhin heftig, aber vergeblich gegen das Vorgehen der
Regierung. (Vergleiche Dusek u.a. 1988, S.199f)
Beschränkung
der Arbeits- und Freiheitsrechte
Die
Regierung erließ ab dem 12. März 1933 in rascher Folge eine Reihe
von Verordnungen auf Grund des kriegswirtschaftlichen
Ermächtigungsgesetztes. Nach dem Parlament erfolgte die Ausschaltung
des Verfassungsgerichtshofes. Dieser hätte die
Verordnungen, welche die Regierung unter Berufung auf das
kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz erlassen hatte,
kippen können.
Die
Politik ging nun in Richtung „Wegräumen des
revolutionären Schutt“ (Ignaz Seipel). Mit „Revolutionsschutt“
waren die aus der Zwischenkriegszeit stammenden sozialen
Errungenschaften und liberalen Freiheitsrechte gemeint, die
vor allem vielen Unternehmern ein Dorn im Auge waren.
Dementsprechend gingen die Aktivitäten der Regierung in
zwei Richtungen:
1. Abbau
der sozialen Errungenschaften:
Die wirtschaftliche Krisenbekämpfung sah –
dem Wunsch der
Unternehmer entsprechend – folgendermaßen
aus:
- Aufhebung des Kollektivvertragsrechts
- Autoritärer
Eingriff in die Lohnverhandlungen
- Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung
- Streikverbot
2.
Einschränkung der liberalen Freiheitsrechte:
- Vorzensur
- Versammlungsverbot
- Aufmarschverbot
(Vergleiche
Hanisch 1994, S.305)
Als Folge
dieser Politik sanken die Sozialausgaben von 23,5 Prozent
des Gesamtbudgets (1932) auf 17,2 Prozent (1937) (zitiert
nach Tálos 1988, S.174).
Anlässlich
der Einführung der neuen Verfassung am 1. Mai 1934 zog
Dollfuß bereits eine erste positive Bilanz:
„Der
4. März 1933 hat einen Trennungsstrich zwischen uns und
der Revolutionsperiode der Nachkriegszeit
gesetzt.“ (Dollfuß’ Radiorede anlässlich der
Einführung der neuen Verfassung am 1. Mai 1934. Zitiert nach
Berchtold 1967, S.433).
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erstmals
veröffentlicht: 1.03. 2003 - aktualisiert
am: 10.10.2003
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