Das Scheitern der Demokratie
Die
Zwischenkriegszeit war geprägt durch die schlechte
wirtschaftliche Lage. Arbeitslosigkeit und Inflation waren
sehr hoch. Die Spaltung der österreichischen Gesellschaft
in organisierte „Teilgesellschaften“ („Lager“)
verschärfte die politische Auseinandersetzung.
Nach den
militärischen Niederlagen von 1918 und 1945 wurde probiert
– auf einer möglichst breiten politischen Basis – die
Krisenzeit zu überwinden. Während die Zusammenarbeit nach
1945 dauerhaft war, ging die Entwicklung nach 1918 in eine
andere Richtung. Dazu drei wesentliche Punkte:
- Den
Sozialdemokraten und den Christlichsozialen gelang es –
durch die
Errichtung zahlreicher Teil- und
Vorfeldorganisationen (parteinahe
Vereine wie zum Beispiel Sportvereine, Jugendvereine usw.) –,
eigene
Subkulturen für ihre Anhängerschaft zu errichten. Die Folge davon war,
dass es mehr Loyalität zur eigenen Subkultur gab, als zu dem
demokratischen
Staat an sich. Da es den verantwortlichen Parteiführern
auch nicht
gelang, diese Spaltungen der Bevölkerung durch
Zusammenarbeit auf der Ebene
der Spitzenpolitiker auszugleichen,
scheiterte die Demokratie.
- Die junge Republik hatte während
der ganzen Zeit ihres Bestehens mit
großen wirtschaftlichen
Problemen zu kämpfen, die zu einer
politischen Radikalisierung führten. Zuerst musste der Wandel von
einem Großreich zu einem Kleinstaat verkraftet werden. Als 1930 die
Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise Österreich erfassten, befand
sich die österreichische Volkswirtschaft mitten in einer
Umstrukturierung. Kennzeichnend für die österreichische Situation war
die
Hartnäckigkeit der Wirtschaftskrise. Sie dauerte bis 1937 an.
-
Es gab nur eine schwache österreichische, nationale
Identität.
Dieser Umstand spiegelt sich auch in den Parteiprogrammen
wieder, die
den Anschluss an Deutschland – der im Vertrag
von St. Germain (1919)
verboten worden war – fordern:
"Die
Sozialdemokratie betrachtet den Anschluß Deutschösterreichs
an das Deutsche Reich als notwendigen Abschluß
der nationalen Revolution von 1918. Sie erstrebt
mit friedlichen Mitteln den Anschluß an die
Deutsche Republik."
Linzer Programm der SDAP von 1926. (zitiert nach:
Berchtold 1967, S.264)
"Die
Verhandlungen über den Zeitpunkt und die Vorbedingungen für
die Verwirklichung des Anschlusses Deutschösterreichs an
Deutschland sind ohne Verzug einzuleiten."
Aktionsprogramm der CSP von 1919. (zitiert nach:
Berchtold 1967, S.361)
„Lagerpatriotismus“
Die
Geschichte der Ersten Republik ist gekennzeichnet durch die
Auseinandersetzung zwischen den beiden großen „Lagern“,
den Christlichsozialen und den Sozialdemokraten.
Den Kern
dieser beiden Lager bildeten die Christlichsoziale Partei
und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Diese
versuchten, durch das Erfassen möglichst aller Aktivitäten
(vor allem im Freizeitbereich), ihrer Anhängerschaft an
sich zu binden und ein eigenes soziales Milieu zu schaffen
(Parteivereine!). Es sollte die Loyalität gestärkt werden,
damit diese im Notfall auch eingefordert werden konnte. Das
Ziel, welches durch das Mittel der Weltanschauung erreicht wurde,
war die Isolierung nach außen bei gleichzeitigem starken
inneren Zusammenhalt. So entstanden eigene Subkulturen.
Der Wechsel einer Partei zur andern kam dadurch einem
Wechsel des gesamten sozialen Umfeldes gleich.
Die Folge
davon war – und das ist ein entscheidendes Merkmal der
Ersten Republik – dass man sich stärker der eigenen
Subkultur verbunden fühlte („Lagerpatriotismus“), als
dem demokratischen Staat an sich.
Demokratieverständnis
Das Verhältnis
der beiden Lager zueinander sah folgendermaßen aus: Es
herrschte ein gegenseitiges Misstrauen an der demokratischen
Gesinnung des „Gegners“. Man war überzeugt, dass die
Partei, die die Mehrheit gewinnt, den Staat nach ihren
Weltanschauungen ändert. Die Entwicklung lief auf einen
Kampf um die Vorherrschaft im Staate hinaus. Da dieser Kampf
notfalls auch mit Gewalt geführt werden sollte, kam es zur
Bildung von Wehrverbänden (Heimwehren, Republikanischer
Schutzbund).
"Die
tatsächliche Entwicklung der Ersten Republik hat ein
Demokratieverständnis begünstigt und wurde wiederum von
diesem Demokratieverständnis beeinflusst, daß die
Niederringung des gegnerischen Lagers in den Mittelpunkt
stellte. Das Ergebnis war die tatsächliche
Einparteienherrschaft, die Diktatur des einen über die
anderen Lager."
(Pelinka 1979, S.353)
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erstmals
veröffentlicht: 1.03. 2003 - aktualisiert am: 10.10.2003
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